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EU-Wasser-Richtlinie
Bereits im Dezember 2011 legte EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier dem Parlament ein Richtlinienpaket zur Überarbeitung des öffentlichen Beschaffungswesens vor. Dieses Paket beinhaltete neben der Vergabe-Richtlinie und der Richtlinie über die Auftragsvergabe in Sonderbereichen auch die Präsentation einer Konzessions-Richtlinie, in welcher erstmals Konzessionen für Bereiche der Daseinsvorsorge, wie Wasser und Energie, vorgeschlagen wurden.
Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments stimmte nun mit einer Mehrheit von 28 Abgeordneten für die Richtlinie. Dagegen votierten nur 10 Parlamentarier, zwei weitere enthielten sich der Stimme. Im März 2013 wird die Richtlinie schließlich einer Abstimmung durch das gesamte EU-Parlament unterzogen.
Die Richtlinie besagt ua, dass keine Verpflichtung zu einer Privatisierung der Wasserversorgung besteht. Gemeinden und Städte können frei entscheiden, ob die Wasserversorgung von öffentlicher oder privater Hand geführt wird. Für den Fall einer Privatisierung muss jedoch eine europaweite Ausschreibung erfolgen.
Reaktionen auf die geplante Richtlinie fallen heftig und vielfältig aus:
Kritiker sehen in der Richtlinie einen Versuch, die Wasserversorgung durch die Hintertüre zu privatisieren. Es bestehe zwar keine Verpflichtung zur Privatisierung, jedoch könnten Kommunen, die bloß über ein knappes Budget verfügen oder gar überschuldet sind, sich zur Privatisierung veranlasst sehen um damit Geld in die Kassen zu bringen. Möglicherweise könnten sie sogar von übergeordneten Stellen dazu gedrängt werden. Konsequenz der Konzessionsrichtlinie wäre nach Meinung ihrer Kritiker daher, dass Gemeinden und Städte europaweit ausschreiben müssten, was zwar global agierenden Konzernen zugutekommen, für Bürgerinnen und Bürger jedoch einen Nachteil bedeuten würde. Negativ-Beispiele für Länder, in denen die Wasserversorgung bereits privatisiert wurde, gäbe es zahlreiche. Der Wasserpreis sei in Portugal seit der Privatisierung um 400 Prozent gestiegen. In London würden die Wasserleitungsrohre nicht mehr gepflegt werden und in Berlin werden derzeit die Anteile der Stadt, welche in den 90er Jahren verkauft wurden, unter großem Verlust zurückgekauft.
Weitere Argumente gegen die Pläne der EU sind, dass durch Wirksamwerden der Richtlinie internationale Konzerne Zugang zum milliardenschweren Wassermarkt erlangen würden. Es käme zu einer Umwandlung von Wasser als Allgemeingut in ein Spekulationsgut. Die Versorgung mit Wasser sei zudem aus öffentlicher Hand jedenfalls effizienter und billiger als durch Private.
Befürworter argumentieren hingegen, dass die Richtlinie zu keiner automatischen Privatisierungspflicht für öffentliche Dienste führe. Die Gemeinden könnten auch weiterhin derartige Dienstleistungen selbst durchführen. Darüber hinaus hätten Gemeinden bisher ebenfalls Konzessionen für andere Aktivitäten, wie etwa der Vergabe von Breitbandnetzen oder der Müllentsorgung, vergeben. Ziel der Richtlinie sei es, mehr Transparenz zu schaffen und somit die Vergabe von Aufträgen „unter der Hand“ zu unterbinden. Des Weiteren bezweifeln Befürworter der Richtlinie, dass internationale Konzerne ein Interesse an dem Betrieb der Wasserversorgung einer kleinen Gemeinde haben könnten. Nur in großen Städten wie Paris und London wäre die Erbringung der Versorgung mit Wasser für große Konzerne lukrativ. Die Wasserversorgung werde daher weiterhin lokal bleiben.
Richtliniengegner haben unterdessen eine Bürgerinitiative („right2water“) ins Leben gerufen, für welche derzeit Unterschriften gesammelt werden um eine Anhörung zu erreichen.
Mit großer Spannung wird nun die Abstimmung des EU-Parlaments im März erwartet, auch deshalb, weil dem Regelungsbereich Wasser in einem Alpenland wie Österreich, eine sehr hohe emotionale Bedeutung zukommt.